Dienstag, 27. Januar 2015

Was gibts Neues bei der 19-jährigen Annena?



Für die ganz Mutigen unter euch, kommt hier mein 1. Zwischenbericht, den jeder Freiwillige meiner Entsendeorganisation schreiben muss. Für die, die nur ein kurzes Update wollen, kommt hier ein kurzes Update. 

Oma- und Opatag: war sehr gut, die Kinder haben das deutsche Lied gut hingekriegt und auch den Rest, danach gab es ganz viel Kuchen, gaaanz vieeel Kuuuuchen!





Mein Geburtstag: War sehr schön, am morgen hab ich Geschenke ausgepackt und im Kindergarten mit den Kindenr etwas "gefeiert", wir haben Luftballonbauchtanz gespielt, nochmal viel Kuchen gegessen und dann noch ein Spiel gespielt, außerdem haben alle Kinder für mich ein Herz bemalt und beschriftet, so gut sie es konnten - zugegenermaßen, musste sie das alle tun, Befehl der Erzieherin (wir wünschen Anna jetzt alles Gute zum Geburtstag und malen ihr was schönes), aber sie sahen nicht unglücklich dabei aus. Abends waren wir dann in einer Bar und Samstag gab es ne große Hausparty, die ein voller Erfolg war und alles ist ganz geblieben! 












Und jetzt die letzten zwei Tage waren voll mit Karnevalvorbereitung, der morgen stattfinden wird - ich kann schon langsam keine Luftballons mehr sehen, so viele musste ich heute aufpumpen und zusammen mit den anderen Freiwilligen aufhängen, hab den ganzen Tag nur mit Dekoration basteln verbracht, langweilig war es also nicht..

Dieses Wochenende geht es dann mal wieder nach Warschau, darauf freue ich mich schon!
Bis dahin, und viel Spaß (eventuell) mit dem Zwischenbericht
Anna 

_______


Dass die erste Hälfte meines Auslandsjahres jetzt schon fast wieder vorbei ist, ist erschreckend. Man lebt und erlebt und die Tage und Wochen und Monate vergehen und wenn man dann zurückguckt merkt man, wie viel man in dieser Zeit doch gemacht und entdeckt hat. Ich dachte, ich wäre gut auf dieses Jahr vorbereitet, da ich ja schon mal für längere Zeit in einem anderen Land gelebt und dessen Sprache erlernt habe, als ich nach der 10. Klasse ein Jahr in Estland gelebt habe. Und doch ist alles ganz anders. Es gibt keine Gastfamilie, die sich um mich kümmert und in der ich wie ein polnisches Kind lebe, es gibt keine Schule, in die ich jeden Tag gehe und in der ich mit jungen Polen zusammen bin und die Sprache lerne. Das alles macht dieses Jahr zu einem ganz anderen.
Das erste Mal in meinem Leben wohne ich alleine, in einer Wohngemeinschaft, zusammen mit 4 anderen Freiwilligen. Das erste Mal in meinem Leben gehe ich jeden Tag arbeiten.
Die ersten Tage hier waren, wie es erste Tage meistens sind, aufregend. Zusammen mit zwei deutschen Freiwilligen bin ich schon zwei Tage vor Programmbeginn eingereist, mit dem Bus 8 Stunden von Berlin. In eine Stadt, die so nah ist und trotzdem immer so weit weg erschien. Wieso interessiert sich kaum jemand für unser schönes Nachbarland, frage ich mich sehr oft, seitdem ich selber hier wohne. Krakau hat mich schon in meinen ersten Tagen bezaubert und somit nicht enttäuscht, mir wurde ja schon lange vorgeschwärmt, wie schön die Altstadt Krakaus ist. Und das ist sie. Groß und alt und voll mit Cafés, Clubs und Bars und anderen coolen Orten, die es zu entdecken gilt. Nach fast vier Monaten hier kenne ich mich nun auch einigermaßen aus, was ein schönes Gefühl ist. Es sind wirklich schon vier Monate, unglaublich.
Kulturell sind die Polen sicherlich nicht allzu verschieden von den Deutschen. Was auffällt, ist die Religiosität, verbunden mit der Verehrung von Johannes Paul II. Schon im Kindergarten gibt es Religionsunterricht zweimal die Woche von einer Nonne. Was mich überrascht hat, ist, dass hier Sonntag alle Geschäfte offen haben! Ich hatte fest damit gerechnet, dass in einem so religiösen Land am Sonntag alles still ist. Dass es nicht so ist, ist natürlich gut für uns, man kann viel freier Einkäufe und Unternehmungen planen. Allerdings freue ich mich auch schon wieder auf die ruhigen Sonntage in Deutschland.
Das größte Hindernis, das es zu überwinden gilt, ist die polnische Sprache. Ich habe ja schon einiges gelernt, bevor ich hierher kam und darüber bin ich wirklich froh, weil es mir schon viel geholfen hat! Ich bin sehr motiviert, diese Sprache am Ende fließend zu sprechen und das ist sicherlich möglich! Mit den Kindern kann ich schon ganz gut kommunizieren und das meiste verstehe ich auch, was so auf der Straße oder im Radio geredet wird. Allerdings stimmt es, Polnisch ist wirklich eine sehr schwere Sprache. Die Grammatik ist sehr komplex und vor allem die Aussprache fällt am Anfang schwer. Zum Glück bekommen wir von unserer polnischen Organisation einen Sprachkurs bezahlt, der zweimal die Woche stattfindet. Leider kann ich nur einmal hingehen, da ich am Montag meinem neuentdecktem und sehr geliebtem Hobby nachgehe – Swingtanzen! Das macht mir einfach so viel Spaß und natürlich ist es auch ein guter Weg, endlich mal Polen kennen zu lernen. Da wir nämlich eine ziemlich große Freiwilligengruppe in Krakau sind und wir uns gut verstehen, machen wir meistens alles zusammen, was natürlich dazu führt, dass man nur wenig Kontakt zu den „Einheimischen“ aufbauen kann. Man denkt ja in Deutschland eigentlich gar nicht so darüber nach, da man Freunde irgendwie automatisch in der Schule oder in der Uni kennen lernt, aber wenn man quasi von null startet, ist es wirklich schwer, Leute zu finden, mit denen man sich anfreunden will. Aber ich bin trotzdem zufrieden mit meiner Situation. Ich hab schon so viele tolle neue Leute kennen gelernt und es werden immer mehr.
Gereist bin ich bisher noch nicht viel. Für unser arrival training waren wir eine Woche in Warschau, eine sehr schöne Woche und Polens Hauptstadt hat mich auch positiv überrascht. Außerdem war ich mit zwei anderen Freiwilligen für ein Wochenende in Zakopane, einer kleinen Stadt in den Bergen, 2 Stunden Busfahrt von Krakau entfernt. Ich möchte aber sicherlich noch mehr von diesem Land sehen, zum Glück ist Reisen und das Leben generell nicht sonderlich teuer hier. Dass es eine andere Währung gibt, finde ich überings sehr gut, ist irgendwie spannend. Langsam rechne ich auch nicht mehr alles in Euro um…
Mit meiner Wohnung bin ich ebenfalls sehr zufrieden. Sie ist groß, sogar für 5 Leute, und auch mein Zimmer, das ich mir mit einer anderen deutschen Freiwilligen teile, mag ich sehr. Es ist faszinierend, wie sehr es sich seit unserer Ankunft verändert hat – von unpersönlich und leer, zu heimelich, persönlich und unordentlich... In unserer WG sind wir 3 deutsche Mädchen sowie 2 Jungs aus Spanien und Italien. Dass es immer schön ist, wäre gelogen, aber ich komme eigentlich gut mit allen klar! Wir Deutsche machen oft etwas zusammen. Leider gibt es immer mal wieder Spannungen was das Putzen angeht, aber in welcher WG gibt es die nicht? Die Lage unserer Wohnung ist auch gut. Zu Fuß 20 Minuten von der Altstadt entfernt, 5 Minuten von der Weichsel und nah am Grünen. Außerdem haben wir Glück mit unseren Vermietern, ein sehr nettes Ehepaar – sogar Internet hatten wir als einzige WG von Anfang an.
Es wird komisch, hier wieder auszuziehen nach 9 Monaten und nie wieder hier wohnen zu können.
Mein Arbeitsalltag sieht folgendermaßen aus:
Meine Gruppe sind die „Igelchen“, das ist die älteste Gruppe des Kindergartens, die meisten Kinder sind 6 Jahre alt. Dadurch sprechen sie schon sehr gutes und meistens deutliches Polnisch, was mir schon oft weitergeholfen hat und man kann eben schon ziemlich anspruchsvolle Sachen mit ihnen machen.
Ich arbeite jeden Wochentag von 9 bis 15 Uhr, also 30 Stunden die Woche, eigentlich nicht viel. Aber manchmal vergehen diese 6 Stunden am Tag wirklich langsam! Vor allem am Anfang war mir oft langweilig und ich wusste wenig mit mir anzufangen, was mich deprimiert hat. Aber alles ist so viel besser geworden! Durch mein besseres Polnisch kann ich zunächst mehr mit den Kindern reden und scherzen und lachen. Außerdem bringe ich ihnen einfaches Deutsch bei, singe und spiele mit ihnen. Für Dezember hatte ich für sie einen Adventskalender gebastelt, durch den sie jeden Tag ein neues deutsches Wort gelernt haben. Ansonsten bastle ich oft die Dekoration für unseren Raum, spiele mit den Kindern oder überlege mir, was ich ihnen noch beibringen kann. Inzwischen habe ich mich an diese Arbeit gewöhnt, ich freue mich aber auch schon sehr darauf, wieder mehr logisch, als kreativ zu arbeiten. Auf jeden Fall merke ich aber schon jetzt, wie sehr mir die Kinder ans Herz gewachsen sind! Schon der Abschied vor Weihnachten (, der ja nur für eine Woche war), war irgendwie schon traurig und ich weiß jetzt schon, dass ich sie alle (naja gut, alle wäre gelogen, es gibt immer ein paar Nervige :D) vermissen werde…
 Mit meinen beiden Erzieherinnen komme ich auch sehr gut klar. Es spricht zwar nur eine von ihnen Englisch, aber das ist kein großes Problem und eigentlich sogar besser, da ich dann gezwungen bin, nur Polnisch zu sprechen – was hier eben nicht allzu oft vorkommt, weil man ja meistens mit den anderen Freiwilligen oder mit Leuten die Englisch sprechen unterwegs ist. Ich hoffe aber, dass ich bald noch öfter und besser Polnisch sprechen werde!
Typisch für das Polnische ist das ständige Verniedlichen – das fällt vor allem in der Kindersprache auf, in der so gut wie jedes Substantiv verniedlicht wird. Das macht es natürlich schwer „richtiges Polnisch“ zu lernen, da man manchmal eben gar nicht mitbekommt, dass man grade nicht die richtige Version, sondern die Verniedlichung benutzt. Und Verniedlichung gibt es für alles. „Sönnchen“, „Herzchen“, „Hündchen“, ach und generell alles … was auch auffällt, ist die Vielzahl an Spitznamen, die die Polen für jeden Namen entwickeln – in Deutschland hatte ich nie einen Spitznamen, hier heiße ich meistens Anja, Anka, Anuschka oder auch einfach Anna, wobei das Annena ausgesprochen wird, sehr süß.
Was bisherige Höhepunkte des Freiwilligendienstes waren, ist schwer zu sagen. Die Situationen, in denen ich realisiere, wie viel ich schon auf Polnisch verstehen und sagen kann, gehören dazu. Aber generell mag ich es einfach, unabhängig zu sein und im Prinzip machen zu können, was ich will mit meiner freien Zeit und dem Geld, was ich zur Verfügung stehen habe. Manchmal muss man sich auch aufraffen, mit seiner freien Zeit etwas Sinnvolles anzufangen, denn die spannende „Touristenanfangszeit“ ist natürlich schon längst vorbei. Ich fühle mich nicht mehr als Tourist in Krakau, ich liebe diese Stadt einfach!
Aber es gibt dennoch so viel zu entdecken und machen und ich weiß, dass ich in den nächsten Monaten noch sehr viel entdecken und machen will! Ich bin sehr froh, dass ich mich für einen Freiwilligendienst in Polen entschieden habe – irgendwie nimmt man unser Nachbarland doch wenn überhaupt nur negativ wahr – ohne Grund, wie ich feststellen konnte. Ich werde mich ganz sicher weiter darum bemühen, die Vorurteile, die viele Deutsche über die Polen und dieses Land haben, abzubauen und ich habe es noch keine Sekunde lang bereut, mich ein zweites Mal in ein anderes Land zu wagen, trotz der schweren Sprache.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen