Für die ganz Mutigen unter euch, kommt hier mein 1. Zwischenbericht, den jeder Freiwillige meiner Entsendeorganisation schreiben muss. Für die, die nur ein kurzes Update wollen, kommt hier ein kurzes Update.
Oma- und Opatag: war
sehr gut, die Kinder haben das deutsche Lied gut hingekriegt und auch
den Rest, danach gab es ganz viel Kuchen, gaaanz vieeel Kuuuuchen!
Mein Geburtstag: War sehr schön, am morgen hab ich Geschenke ausgepackt und im Kindergarten mit den Kindenr etwas "gefeiert", wir haben Luftballonbauchtanz gespielt, nochmal viel Kuchen gegessen und dann noch ein Spiel gespielt, außerdem haben alle Kinder für mich ein Herz bemalt und beschriftet, so gut sie es konnten - zugegenermaßen, musste sie das alle tun, Befehl der Erzieherin (wir wünschen Anna jetzt alles Gute zum Geburtstag und malen ihr was schönes), aber sie sahen nicht unglücklich dabei aus. Abends waren wir dann in einer Bar und Samstag gab es ne große Hausparty, die ein voller Erfolg war und alles ist ganz geblieben!
Und jetzt die letzten zwei Tage waren voll mit Karnevalvorbereitung, der morgen stattfinden wird - ich kann schon langsam keine Luftballons mehr sehen, so viele musste ich heute aufpumpen und zusammen mit den anderen Freiwilligen aufhängen, hab den ganzen Tag nur mit Dekoration basteln verbracht, langweilig war es also nicht..
Dieses Wochenende geht es dann mal wieder nach Warschau, darauf freue ich mich schon!
Bis dahin, und viel Spaß (eventuell) mit dem Zwischenbericht
Anna
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Dass die erste Hälfte meines
Auslandsjahres jetzt schon fast wieder vorbei ist, ist erschreckend. Man lebt
und erlebt und die Tage und Wochen und Monate vergehen und wenn man dann
zurückguckt merkt man, wie viel man in dieser Zeit doch gemacht und entdeckt
hat. Ich dachte, ich wäre gut auf dieses Jahr vorbereitet, da ich ja schon mal
für längere Zeit in einem anderen Land gelebt und dessen Sprache erlernt habe,
als ich nach der 10. Klasse ein Jahr in Estland gelebt habe. Und doch ist alles
ganz anders. Es gibt keine Gastfamilie, die sich um mich kümmert und in der ich
wie ein polnisches Kind lebe, es gibt keine Schule, in die ich jeden Tag gehe
und in der ich mit jungen Polen zusammen bin und die Sprache lerne. Das alles
macht dieses Jahr zu einem ganz anderen.
Das erste Mal in meinem Leben
wohne ich alleine, in einer Wohngemeinschaft, zusammen mit 4 anderen
Freiwilligen. Das erste Mal in meinem Leben gehe ich jeden Tag arbeiten.
Die ersten Tage hier waren, wie
es erste Tage meistens sind, aufregend. Zusammen mit zwei deutschen
Freiwilligen bin ich schon zwei Tage vor Programmbeginn eingereist, mit dem Bus
8 Stunden von Berlin. In eine Stadt, die so nah ist und trotzdem immer so weit
weg erschien. Wieso interessiert sich kaum jemand für unser schönes Nachbarland,
frage ich mich sehr oft, seitdem ich selber hier wohne. Krakau hat mich schon
in meinen ersten Tagen bezaubert und somit nicht enttäuscht, mir wurde ja schon
lange vorgeschwärmt, wie schön die Altstadt Krakaus ist. Und das ist sie. Groß
und alt und voll mit Cafés, Clubs und Bars und anderen coolen Orten, die es zu
entdecken gilt. Nach fast vier Monaten hier kenne ich mich nun auch
einigermaßen aus, was ein schönes Gefühl ist. Es sind wirklich schon vier
Monate, unglaublich.
Kulturell sind die Polen sicherlich
nicht allzu verschieden von den Deutschen. Was auffällt, ist die Religiosität,
verbunden mit der Verehrung von Johannes Paul II. Schon im Kindergarten gibt es
Religionsunterricht zweimal die Woche von einer Nonne. Was mich überrascht hat,
ist, dass hier Sonntag alle Geschäfte offen haben! Ich hatte fest damit
gerechnet, dass in einem so religiösen Land am Sonntag alles still ist. Dass es
nicht so ist, ist natürlich gut für uns, man kann viel freier Einkäufe und
Unternehmungen planen. Allerdings freue ich mich auch schon wieder auf die
ruhigen Sonntage in Deutschland.
Das größte Hindernis, das es zu
überwinden gilt, ist die polnische Sprache. Ich habe ja schon einiges gelernt,
bevor ich hierher kam und darüber bin ich wirklich froh, weil es mir schon viel
geholfen hat! Ich bin sehr motiviert, diese Sprache am Ende fließend zu
sprechen und das ist sicherlich möglich! Mit den Kindern kann ich schon ganz
gut kommunizieren und das meiste verstehe ich auch, was so auf der Straße oder
im Radio geredet wird. Allerdings stimmt es, Polnisch ist wirklich eine sehr
schwere Sprache. Die Grammatik ist sehr komplex und vor allem die Aussprache
fällt am Anfang schwer. Zum Glück bekommen wir von unserer polnischen
Organisation einen Sprachkurs bezahlt, der zweimal die Woche stattfindet.
Leider kann ich nur einmal hingehen, da ich am Montag meinem neuentdecktem und
sehr geliebtem Hobby nachgehe – Swingtanzen! Das macht mir einfach so viel Spaß
und natürlich ist es auch ein guter Weg, endlich mal Polen kennen zu lernen. Da
wir nämlich eine ziemlich große Freiwilligengruppe in Krakau sind und wir uns
gut verstehen, machen wir meistens alles zusammen, was natürlich dazu führt,
dass man nur wenig Kontakt zu den „Einheimischen“ aufbauen kann. Man denkt ja
in Deutschland eigentlich gar nicht so darüber nach, da man Freunde irgendwie
automatisch in der Schule oder in der Uni kennen lernt, aber wenn man quasi von
null startet, ist es wirklich schwer, Leute zu finden, mit denen man sich
anfreunden will. Aber ich bin trotzdem zufrieden mit meiner Situation. Ich hab
schon so viele tolle neue Leute kennen gelernt und es werden immer mehr.
Gereist bin ich bisher noch
nicht viel. Für unser arrival training waren wir eine Woche in Warschau, eine
sehr schöne Woche und Polens Hauptstadt hat mich auch positiv überrascht.
Außerdem war ich mit zwei anderen Freiwilligen für ein Wochenende in Zakopane,
einer kleinen Stadt in den Bergen, 2 Stunden Busfahrt von Krakau entfernt. Ich
möchte aber sicherlich noch mehr von diesem Land sehen, zum Glück ist Reisen
und das Leben generell nicht sonderlich teuer hier. Dass es eine andere Währung
gibt, finde ich überings sehr gut, ist irgendwie spannend. Langsam rechne ich
auch nicht mehr alles in Euro um…
Mit meiner Wohnung bin ich
ebenfalls sehr zufrieden. Sie ist groß, sogar für 5 Leute, und auch mein
Zimmer, das ich mir mit einer anderen deutschen Freiwilligen teile, mag ich
sehr. Es ist faszinierend, wie sehr es sich seit unserer Ankunft verändert hat
– von unpersönlich und leer, zu heimelich, persönlich und unordentlich... In
unserer WG sind wir 3 deutsche Mädchen sowie 2 Jungs aus Spanien und Italien.
Dass es immer schön ist, wäre gelogen, aber ich komme eigentlich gut mit allen
klar! Wir Deutsche machen oft etwas zusammen. Leider gibt es immer mal wieder
Spannungen was das Putzen angeht, aber in welcher WG gibt es die nicht? Die
Lage unserer Wohnung ist auch gut. Zu Fuß 20 Minuten von der Altstadt entfernt,
5 Minuten von der Weichsel und nah am Grünen. Außerdem haben wir Glück mit
unseren Vermietern, ein sehr nettes Ehepaar – sogar Internet hatten wir als
einzige WG von Anfang an.
Es wird komisch, hier wieder
auszuziehen nach 9 Monaten und nie wieder hier wohnen zu können.
Mein Arbeitsalltag sieht
folgendermaßen aus:
Meine Gruppe sind die
„Igelchen“, das ist die älteste Gruppe des Kindergartens, die meisten Kinder
sind 6 Jahre alt. Dadurch sprechen sie schon sehr gutes und meistens deutliches
Polnisch, was mir schon oft weitergeholfen hat und man kann eben schon ziemlich
anspruchsvolle Sachen mit ihnen machen.
Ich arbeite jeden Wochentag von
9 bis 15 Uhr, also 30 Stunden die Woche, eigentlich nicht viel. Aber manchmal
vergehen diese 6 Stunden am Tag wirklich langsam! Vor allem am Anfang war mir
oft langweilig und ich wusste wenig mit mir anzufangen, was mich deprimiert
hat. Aber alles ist so viel besser geworden! Durch mein besseres Polnisch kann
ich zunächst mehr mit den Kindern reden und scherzen und lachen. Außerdem
bringe ich ihnen einfaches Deutsch bei, singe und spiele mit ihnen. Für
Dezember hatte ich für sie einen Adventskalender gebastelt, durch den sie jeden
Tag ein neues deutsches Wort gelernt haben. Ansonsten bastle ich oft die
Dekoration für unseren Raum, spiele mit den Kindern oder überlege mir, was ich
ihnen noch beibringen kann. Inzwischen habe ich mich an diese Arbeit gewöhnt,
ich freue mich aber auch schon sehr darauf, wieder mehr logisch, als kreativ zu
arbeiten. Auf jeden Fall merke ich aber schon jetzt, wie sehr mir die Kinder
ans Herz gewachsen sind! Schon der Abschied vor Weihnachten (, der ja nur für
eine Woche war), war irgendwie schon traurig und ich weiß jetzt schon, dass ich
sie alle (naja gut, alle wäre gelogen, es gibt immer ein paar Nervige :D)
vermissen werde…
Mit meinen beiden Erzieherinnen komme ich auch
sehr gut klar. Es spricht zwar nur eine von ihnen Englisch, aber das ist kein
großes Problem und eigentlich sogar besser, da ich dann gezwungen bin, nur
Polnisch zu sprechen – was hier eben nicht allzu oft vorkommt, weil man ja
meistens mit den anderen Freiwilligen oder mit Leuten die Englisch sprechen
unterwegs ist. Ich hoffe aber, dass ich bald noch öfter und besser Polnisch
sprechen werde!
Typisch für das Polnische ist
das ständige Verniedlichen – das fällt vor allem in der Kindersprache auf, in
der so gut wie jedes Substantiv verniedlicht wird. Das macht es natürlich
schwer „richtiges Polnisch“ zu lernen, da man manchmal eben gar nicht
mitbekommt, dass man grade nicht die richtige Version, sondern die
Verniedlichung benutzt. Und Verniedlichung gibt es für alles. „Sönnchen“, „Herzchen“,
„Hündchen“, ach und generell alles … was auch auffällt, ist die Vielzahl an
Spitznamen, die die Polen für jeden Namen entwickeln – in Deutschland hatte ich
nie einen Spitznamen, hier heiße ich meistens Anja, Anka, Anuschka oder auch
einfach Anna, wobei das Annena ausgesprochen wird, sehr süß.
Was bisherige Höhepunkte des
Freiwilligendienstes waren, ist schwer zu sagen. Die Situationen, in denen ich
realisiere, wie viel ich schon auf Polnisch verstehen und sagen kann, gehören
dazu. Aber generell mag ich es einfach, unabhängig zu sein und im Prinzip
machen zu können, was ich will mit meiner freien Zeit und dem Geld, was ich zur
Verfügung stehen habe. Manchmal muss man sich auch aufraffen, mit seiner freien
Zeit etwas Sinnvolles anzufangen, denn die spannende „Touristenanfangszeit“ ist
natürlich schon längst vorbei. Ich fühle mich nicht mehr als Tourist in Krakau,
ich liebe diese Stadt einfach!
Aber es gibt dennoch so viel zu
entdecken und machen und ich weiß, dass ich in den nächsten Monaten noch sehr
viel entdecken und machen will! Ich bin sehr froh, dass ich mich für einen
Freiwilligendienst in Polen entschieden habe – irgendwie nimmt man unser
Nachbarland doch wenn überhaupt nur negativ wahr – ohne Grund, wie ich
feststellen konnte. Ich werde mich ganz sicher weiter darum bemühen, die
Vorurteile, die viele Deutsche über die Polen und dieses Land haben, abzubauen
und ich habe es noch keine Sekunde lang bereut, mich ein zweites Mal in ein
anderes Land zu wagen, trotz der schweren Sprache.
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